Polyamant
Sonntag, 18. Dezember 2011
Wer ist das?

Ich lese das Tagebuch eines 21-jährigen. Es spielt 1989, er ist gerade mit seiner ersten großen Liebe zusammengekommen und hat das Abi grade so geschafft.

Es ist ein sehr unsicherer Mensch, um nicht zu sagen völlig verängstigt. In ständigem Hader, ob er alles richtig macht und er scheint unfähig zu sein, mit seiner Zeit etwas sinnvolles anzustellen, wenn er alleine ist.

Ich erinnere mich an ihn. Er konnte sich in wenigen Stunden so viele Sorgen und Gedanken machen, dass er völlig erstarrte - und in dem Tagebuch sind es Wochen, die er dafür zur Verfügung hatte.

Ich würde ihm so gerne ein paar Dinge erleichtern. Ihm erklären, dass es gut ist, jemanden zu lieben, aber es niemandem nutzt, sich derart in Stress zu begeben. Ich würde ihn drängen, schöne Dinge zu tun. Nur für sich selbst. Weil das gut tut. Ich würde ihm zeigen, dass zwanzig Jahre später alles ganz anders ist als er es sich wünschte, aber dennoch alles in Ordnung ist.

Ich lege meine alten Tagebücher jetzt lieber wieder ins Regal zurück.

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Dienstag, 18. Oktober 2011
Kein Schalter

Es gibt keinen Schalter, der Liebe ausschaltet. Das ist gut so und selbst wenn es möglich wäre, wenn man einfach aufhören könnte, jemanden zu lieben würde ich es nicht tun: Warum sollte ich denn auch - freiwillig noch dazu - darauf verzichten wollen, jemanden zu lieben?

Dann würde die Liebe von technischen Bedingungen abhängen. Von Zeit, von Nähe, von sinnlosen Opfern, die am Ende ohnehin nichts beweisen.

Ich kann nur sagen, dass ich niemanden weniger oder mehr liebe, nur weil es mal weniger Zeit und Nähe gibt und mal mehr. Oder weniger Berührung. Ich höre einfach nicht damit auf und es gibt nichts, was Du dagegen tun kannst.

Nicht mal bezweifeln, dass Du gemeint bist.

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Samstag, 8. Oktober 2011
Ängste sortieren

Ich habe keine Angst vor Menschen und ich bin auch nicht wirklich schüchtern. Das wurde mir zuweilen zwar nachgesagt, ich konnte das aber selbst immer irgendwie nicht nachvollziehen. Allerdings stimmt es schon, ich scheine mich nicht - oder erst spät - dazu durchringen zu können, auf andere Menschen zu zu gehen. Natürlich steckt da eine Angst dahinter, aber eine etwas andere, und zwar die Angst vor Zurückweisung.

Als Kind hatte ich Angst vor dem Dunkeln. Dachte ich. Aber inzwischen war ich schon oft genug irgendwo wo es dunkel war und konnte letztendlich festmachen, wovor ich wirklich Angst hatte: Davor, mit dem was dort im Dunkeln ist nicht alleine zurecht zu kommen. Die Dunkelheit selbst ist eigentlich völlig unproblematisch. Aber irgendwann hatte ich bemerkt, dass sich die Angst genauso anfühlte, als ich mich vor jede Menge Führungskräften alleine gegen meine mobbende Chefin wehren musste. Oder jetzt gerade, weil ich nicht weiß wo ich als nächstes hin muss und welche Entscheidungen ich treffen muss und keiner da ist, der mir praktisch dabei helfen kann.

Diese beiden Ängste habe ich schon lange, ich kenne sie - bzw. die dahinter liegenden tatsächlichen Ängste - und komme damit zurecht. Ich habe Workarounds und ich habe genug Erfahrungen, um mich den damit verbundenen Situationen dennoch effektiv stellen zu können. Genauso ist das auch noch mit ein paar anderen Ängsten, die ich so habe: Ich kenne sie, ich gehe mit ihnen um und ich bekomme die Dinge am Ende ganz gut in den Griff.

Aber es gibt irgendwie auch neue Ängste. Welche, die ich länger nicht bemerkte, die irritierten, weil da die bestehenden Lösungen nicht so richtig passten. Und für die ich erst noch herausfinden muss, wovor ich wirklich Angst habe. Ich habe zum Beispiel Angst vor dem Älter werden. Was sicher so nicht richtig ist, aber es fühlt sich so an. Ich frage mich, wo das tatsächliche Problemfeld ist. Angst stecken zu bleiben? Was zu verpassen? Das kanns nicht so wirklich sein, denn ich stecke nicht wirklich fest gerade. Aber vielleicht ist es die Frage, ob ich denn das richtige tue?

Eine andere Angst ist auch noch so was diffuses. Es geht irgendwie darum, dass ich fürchte, mir wächst alles über den Kopf. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass das stimmt. Eigentlich bekomme ich die Dinge ja schon immer ganz gut geregelt und ich weiß inzwischen auch, wann ich die Bremse ziehen muss, wenn eine Stressphase kein Ende findet. Daran liegts also nicht. Die Stichwörter sind auch nicht Belastung oder Arbeitsmenge. Es geht auch wahrscheinlich nicht mal um was rein berufliches. Das hat was damit zu tun, dass ich mich zu leicht verpflichten lasse, schnell Schuhe anziehe, die man mir - zuweilen nicht mal mit Absicht - hinstellt. Und dann vor lauter Verpflichtungen nicht mehr zur Ruhe zu kommen. Und die Angst hat irgendwas damit zu tun, dass ich dafür keinen Ausgleich hinbekomme. Dass mir die Balance zwischen dem nicht gelingt, was andere von mir wollen und was ich will.

Viel weiter bin ich da noch nicht, aber ich hoffe mal, dass ich das irgendwann mal genauso gut handhabe wie den andere Schrott.

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Montag, 1. August 2011
Mein geheimes Versteck

Seit ich mich an meine Träume erinnern kann gibt es Phasen, in denen sich Themen wiederholten bis sie irgendwie abgearbeitet waren (Abi nochmal machen zum Beispiel) und es gibt andere Themen, die immer wieder auftauchen, sich aber hin und wieder erneuern.

Eines davon ist das von meinem geheimen Versteck. Als Kind - so zur ersten, zweiten Klasse - gab es in der Nähe unseres Hauses einen Platz mit einem großen Haufen Findlingen. Riesige Steine, die Höhlen und Verstecke in Massen boten und in denen wir den Tag verbrachten um darin herumklettern und Kartoffelfeuer zu machen. Darin gab es eine Höhle, die nur durch ein sehr kleines, gut verstecktes Loch zu erreichen war - dieses Loch war zusätzlich noch erst dann zu sehen, wenn man einen Absatz tiefer geklettert ist was dazu führte, dass diese Höhle kaum jemand kannte und noch dazu durch die Enge des Zugangs kaum jemand benutzen konnte (ich war damals sehr klein für mein Alter und rutschte dennoch gerade noch so durch die Öffnung).

Diese Höhle blieb in meinen Träumen noch Jahre, nachdem wir von dort weggezogen waren mein Versteck. Egal, ob ich im Traum verfolgt wurde oder ob eigentlich alles entspannt war und ich mich nur darüber freute, einen Rückzugsort zu haben, den kein anderer erreichen konnte.

Irgendwann änderte sich etwas: Ich hatte einen sehr komplizierten und meine Traumwelt stark neu definierenden Traum, in dem ein altes Haus sehr wichtig war. Es war riesig, mit verfallenen Teilen, war schon lange verlassen und hatte aber noch Zimmer und Kammern mit altem Gerümpel und einige Zimmer waren noch eingerichtet mit alten verstaubten Möbeln. Das alles änderte sich immer mal wieder - dasHaus war mal größer, mal kleiner, mal nicht so verfallen, mal eine komplette Ruine. Was aber wichtig war: Es gab darin wiederum einen Raum, der extrem schwer zu erreichen war. Man musste durch eine Falltür und ein sehr enges Loch in der Wand, zuweilen auch ein Rohr, um zu diesem kleinen Raum zu gelangen. Er war - wie schon die Höhle - eigentlich leer. Es ging nie darum, was sich darin befindet, sondern darum, dass ich dorthin konnte und wenn ich dort war absolut sicher war, dass es absolut niemandem möglich ist, mich dort zu finden.

Dieser Raum und sein Zugang war bis noch vor ein, zwei Jahren relativ gleich. Ich hatte auch schon länger eine recht klare Vorstellung davon, was dieser Raum bedeutet, wo er herkommt, wofür er gut ist. Er ist die Antwort auf den Wunsch, für kurze Zeit komplett für mich zu sein. Ich bin nie lange dort, aber fühlte mich immer wohl in meinem Versteck. Vielleicht hat es sich deswegen auch erst vor kurzem wieder verändert. Es ist jetzt moderner, sauberer, in einem modernen Haus. Es ist noch immer ein leerer kleiner Zwischenraum, der aber einen angenehmeren Zugang hat der nicht mehr so schwer zu durchqueren ist. Das ist nicht mehr nötig, da es einen intelligenteren Mechanismus gibt ihn zu öffnen und zu schließen und der es unnötig macht, so obskur und abgelegen zu sein wie die Varianten zuvor.

Ich achte im Traum immer noch gut darauf, dass mich niemand sieht, wenn ich mich verstecke, aber auch da habe ich weniger Anspannung und die Angst, dass jemand den Zugang entdecken könnte ist auch stark gesunken - ich weiß schon im Traum, dass ich mir dann einfach ein neues Versteck bauen werde, das dann eben noch sicherer und unauffindbarer werden würde.

Was ich mich all die Jahre allerdings frage ist, was tatsächlich passiert in der Zeit, in der ich in meinem Versteck sitze und dort vielleicht einfach gar nichts tue als für eine halbe Stunde die Ruhe und Gewissheit zu genießen, dass ich momentan für niemanden auffindbar bin.

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Montag, 11. Juli 2011
Die Tage, in denen nichts läuft

Ich wäre gerne wacher dieser Tage und würde gerne mehr leben. Aber ich bin ständig müde und alles scheint schwierig, alles scheint anstrengend. Ich habe wenig Lust auf Neues, bin grade meine eigene Nebensache. Ich fühle mich alt und aufgebraucht. Alle Energie ist irgendwo anders und nicht erreichbar.

Das ist nicht neu, das geht dann auch wieder vorbei und kommt dann auch ein andermal wieder. Grade kommt es mal wieder. Ich bekomme keine Ordnung in mein Leben; was nicht bedeutet dass es chaotisch ist: Nur dass ich es schleifen lasse. Ich arbeite stattdessen wieder zu viel, was ich immer tue wenn ich nicht weiß was ich sonst tun kann. Ich mag Zerstreuung nicht, weil sie nicht funktioniert. Wenn ich mich zerstreuen will merke ich das und bin genervter als wenn ich akzeptiere dass gerad einfach nichts läuft.

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klingt jetzt doch eher
koerperlich ;)aber okay, bei mir ist's der Ruecken
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Zeit Ich fühle mich alt.
Das war zwar schon öfter mal so, vor allem nach...
by jensscholz (12.05.13, 22:07)

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