Polyamant
Dienstag, 15. Mai 2012
Where do we go from here...?

Langsam hab ich mich wieder gefangen. Es gab über den Winter und den Jahresbeginn einen ziemlichen Schlingerkurs mit wilden Drehungen, gegen Wände dotzen und Pedalen verwechseln. diese innere Achterbahnfahrt hat man von außen wahrscheinlich wie üblich bei mir gar nicht wirklich mitbekommen, aber ich hab mir unendlich viele Gedanken gemacht und Fragen gestellt - von denen die meisten nicht beantwortet sind, aber die am Ende alle in eine zentrale Fragestellung mündeten: "Wo will ich eigentlich hin?"

Ich habe immer noch keine finale Antwort, aber es ist schon mal beruhigend, die wesentliche Frage gefunden zu haben. Die kann ich nun bewerten, drehen und wenden und in Ruhe beantworten. Ich kann auch erst ein mal nur einen Teil davon bearbeiten. Nämlich "Wo will ich als nächstes hin?".

Dazu muss ich mir erst mal klar werden wo ich gerade bin und wo ich herkomme, um meine generelle Richtung zu bestimmen. Erst dann kann ich mir Gedanken über eine neue Richtung machen und darüber, ob ich eventuell am Lenkrad drehen muss, um dort hin zu steuern.

Wo ich herkomme kann ich zum Glück gut erkennen, ich habe große Teile davon aufgeschrieben. Auch was die Bewertung angeht, was davon gut war und was schlecht fällt mir nicht sehr schwer: Seit ich nach Köln gezogen bin habe ich - vor allem durch die Begegnung mit wunderbaren Menschen, die mich unentwegt inspirieren, lehren und reflektieren und wofür ich sie unendlich liebe - vieles in meinem Leben radikal geändert. Und das mit einer Leichtigkeit, die mir beigebracht hat, dass Veränderung kein Kraftakt sein muss sondern einem sogar leichter fallen kann, als alles zu lassen wie es ist. Wenn es einem entspricht fühlt sich ein Kurswechsel an, als habe man seine Segel in den Wind gesetzt. Alles stimmt, man wird mühelos vorwärts getragen und die Dinge fallen wie von selbst auf die richtigen Plätze.

Ich bin noch nicht an der Stelle, an der ich weiß, wohin ich die Segel setze, aber ich freu mich schon drauf. Und die Menschen, die ich liebe, nehme ich mit.

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Donnerstag, 12. April 2012
10 Jahre und 10 Jahre

Ostern habe ich Familienvideos gesehen. Aus den Jahren 1994 bis 2002, also ab dem Moment, als das erste Kind unterwegs war bis zu seinem neunten Geburtstag, ein halbes Jahr vor der Trennung.

In dieser Zeit ist viel passiert. Unter anderem drei Umzüge, folglich gab es auch ein Video von kurz nachdem wir unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen haben sowie eines, auf dem unsere letzte zu sehen war. Es ist ein seltsames Gefühl gewesen, diese Wohnungen wieder zu sehen. Einerseits hatte ich sie wohl aktiv verdrängt, aber auch vieles davon einfach nur so vergessen. Die Räume, die Dinge darin und uns als Personen darin zu sehen bereitet mir Unbehagen. Ich wollte einerseits am liebsten wegschauen, andererseits erfüllte mich der Anblick mit einer seltsamen Wehmut, die ich auf keinen Fall wegschieben wollte.

Dass ich mir da einen mit fast zehn Jahren doch sehr langen Lebensabschnitt von mir ansehen konnte war nur ein Grund, mich seltsam zu fühlen. Ein zweiter war die Gewissheit, dass fast nichts davon heute irgendwie relevant ist - es ist alles vorbei und sehr weit weg. Ich habe ein so völlig anderes Leben als damals und wenn ich mir mich- uns - im Jahr 1997 anschaue, erkenne ich: wir haben keine Ahnung davon, dass alles anders kommen wird. Die Probleme mit denen wir dort zu tun haben sind sehr immanent: Es sind Arbeit, Kind, Wohnung. Der Aufbau einer Familie, was bis 2002 auch - zumindest für mich - scheinbar ein schnurgerader Weg.

Ein dritter Grund, der mich in einer gewissen Weise verwirrt zurückließ - bis heute - ist die Erkenntnis, dass zwischen dem Ende dieses zehn Jahre langen Lebensabschnittes und heute eine eben so lange Zeit liegt. Es sind weitere zehn Jahre vergangen. Diese Gefühle sind verwirrend und schwer oder gar nicht einzuordnen. Ich weiss nicht, was ich damit tun soll.

Ich stehe nun neben mir und wundere mich. Sollte ich traurig sein? Oder froh? Stattdessen bin ich vor allem verwirrt, fühle mich entkoppelter denn je und weiß noch weniger, was ich eigentlich für mich will oder von mir zu tun erwarte. Ich treibe stattdessen noch weiter herum.

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Sonntag, 11. März 2012
Warten

Keine Ahnung, wie lange der Mensch so in seinem Leben mit warten beschäftigt ist, aber der Begriff ist ein Widerspruch in sich. Denn man ist nicht beschäftigt. Man tut nichts. Man hat Zeit, sich Gedanken zu machen. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man sich verabredet hat. Ab dann hat man Zeit sich Sorgen zu machen. Oder verrückt.

Ich hab keine generellen Probleme mit Warten. Ich bin nicht ungeduldig. Ich kaue nicht an den Fingernägeln, bis das nächste Buch meiner Lieblingsautoren rauskommt oder ein Film, den ich unbedingt sehen will. Beides wird irgendwann passieren und dass etwas einfach seine Zeit dauert macht mir keinen Stress.

Bei zwei Gelegenheiten aber kann ich nicht ruhig bleiben.

Die erste ist Schlange stehen. Gott, geht mir das auf den Geist. Mich irgendwo anstellen zu müssen lässt mich sofort nach Alternativen überlegen: Morgen wiederkommen? Woanders hingehen? Es ganz lassen? Anstehen macht mich aggressiv, denn die Zeit in einer Schlange ist für mich so bewusst vertan, ich kann die Uhr im Kopf ticken hören und jede Sekunde die vergeht nimmt mir etwas mehr von der Erwartung dessen, weshalb ich mich anstelle. Ich wende daher meistens die Faustregel an: Wenn ich länger warten muss als das, weshalb ich anstehe dauert, geh ich wieder.

Die zweite ist die Situation, die ich eingangs beschrieben habe: Wenn ein verabredeter Zeitpunkt verstrichen ist und ich keinerlei Info bekommen habe, dass es länger dauert. In Zeiten von Handy, SMS und WhatsApp hat sich das Problem verzehnfacht, denn vorher konnte ich mich immer noch eine Weile beruhigen, weil keine Info ja bedeuten kann, der andere ist schon unterwegs. Inzwischen aber mache ich mir sofort Gedanken: Bin ich so unwichtig oder sind Verabredungen mit mir so unverbindlich, dass man mir nicht mal Bescheid geben braucht, wenns nicht klappt? Ich weiß, dass das dumm von mir ist, aber solche Situationen gehen leider sofort auf mein Selbstwertgefühl. Dagegen kann ich auch nicht viel tun - meine Ratio erklärt mir ja auch jedes mal, dass es vielleicht besser wäre, einfach mal auf den anderen sauer zu sein statt auf mich und überhaupt, Verspätungen sind echt nichts schlimmes und niemand der sich verspätet tut das, weil er mich nicht wertschätzt. Das hilft nicht viel, mir gehts in diesen Momenten einfach mies. Und wie unsinnig das ist beweist ja auch, dass das Gefühl fast sofort komplett verschwindet, wenn die Verabredung dann eintrifft. Dann merke ich: Ich bin kein bisschen sauer, dass sie zu spät kommt. Ich hatte aber Angst, dass sie gar nicht kommt.

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Samstag, 10. März 2012
Abgemacht

Ich versuche, mich strikt an Abmachungen zu halten. Das liegt ein wenig daran, dass ich nicht gut einordnen kann, wie wichtig oder wie eindeutig die Dinge sind, die andere von mir verlangen oder um die sie mich bitten. Das führt zwar oft - wirklich sehr oft - dazu, dass mir Leute sagen "Aber das war doch nicht so Ernst gemeint" wenn sie merken, dass ich mich aus ihrer Sicht viel zu konsequent an eine Abmachung halte oder dass sie selbst das vermeintlich wichtige Anliegen schon längst wieder vergessen haben.

Aber ich ziehe das durch, denn was natürlich schon auch mal passiert ist, dass ich nicht aufpasse und die Abmachung doch breche. Weil ich sie vergesse, weil sie mit meinen eigenen Problemen kollidiert oder Teil davon ist, weil ich einen Moment nicht aufpasse. Dann tut mir das so sehr und so lange Leid, dass ich lieber bei meinen Abmachungen viel zu konsequent bin als sie zu lasch zu handhaben.

Klar denke ich ständig drüber nach, wie Ernst eine Abmachung gemeint ist. Oder wie lange sie wohl wirklich gilt.

Zum Beispiel überlege ich seit Jahren immer mal wieder, ob es richtig war, den Kontakt mit einer Frau die ich sehr mochte komplett abzubrechen, weil sie mir sagte, dass sie das so will, sollte es zu einer Trennung kommen. Ich hab keine Ahnung, ob das wirklich so Ernst gemeint war wie ich das durchziehe, aber so lange man mir nichts anderes sagt, halte ich mich lieber an das, was ausgemacht war als falsch zu liegen und alles wird plötzlich peinlich und unangenehm.

Will sagen: Ich habe mit vielen Menschen die verschiedensten Abmachungen von denen ich ziemlich überzeugt bin, dass sie eigentlich gar nicht mehr gelten. Daher wäre es nett - falls das jemand liest, der mal was mit mir ausgemacht hat oder es vorhat zu tun - euch die Abmachung auch bitte zu merken und Bescheid zu geben, wenn ich sie nicht mehr einzuhalten brauche.

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Donnerstag, 19. Januar 2012
Unvergleichlich

Letztens diskutierten wir über Eifersucht und andere Unsicherheiten, die einen hin und wieder in Stress geraten lassen. Eine der Ursachen dafür ist die wahrscheinlich völlig menschliche Eigenschaft, sich mit anderen zu vergleichen.

Wenn uns also jemand erzählt, wie toll ein Abend mit X war oder was für kluge Dinge Y sagt oder wie scharf Z gestern ausgesehen hat machen wir einen Vergleich. Bei dem wir immer verlieren. Denn wir erweitern den Satz immer mit "im Vergleich zu mir" und so wird "Y sagt kluge Dinge" zu "Y sagt kluge Dinge im Vergleich zu mir". Ergo sage ich keine klugen Dinge, zumindest nicht so kluge wie Y.

Natürlich stimmt das nicht, denn das ist nicht, was der andere gesagt hat. Er sagte lediglich, dass er eine bestimmte Sache bei einer bestimmten Person mag.

Wir waren uns darin auch einig: Keiner von uns sagt sowas, um dem anderen ein defizit aufzuzeigen, sondern weil man sich über eine Eigenschaft einer anderen Person freut. Es ist zwar eine Wertung, aber nur eine positive über die Person über die man spricht und nicht gleichzeitig eine Abwertung des Gegenübers.

Wir landen aber sehr oft in dieser "entweder - oder" Falle, nicht nur in Beziehungen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich in den letzten vielleicht 10 Jahren gemacht habe war aber, dass es ein "entweder - oder" fast nie und nirgends gibt, sondern das Leben wesentlich häufiger "sowohl - als auch" funktioniert.

Der Knackpunkt ist, wie ich glaube, der Vergleich. Daher versuche ich mal zu formulieren, warum ich die Menschen, die ich liebe, nie miteinander vergleichen kann.

Ich stehe mit jeder einzelnen Person, die ich liebe, in einer ganz einzigartigen, individuelle Beziehung*. Ich liebe jemanden nicht wegen einzelner Eigenschaften oder weil sie etwas bestimmtes besonders gut kann. Ich liebe jemanden deswegen, weil wir gemeinsam etwas völlig einzigartiges haben. Das, was mit uns beiden entsteht, funktioniert auch wirklich nur mit exakt uns beiden. Ich könnte also nie dieselbe Verbindung mit einer anderen Person haben. Und somit sind auch keine Vergleiche möglich. Und selbst wenn - die Eigenschaft, die mich bei einer Person völlig ins Schwärmen bringt muss bei einer anderen Person - selbst wenn sie dieselbe Eigenschaft hätte - nicht die sein, die mich an ihr fasziniert.

Vielleicht ein Bild: Ich glaube nicht, dass der Mensch eine ganz bestimmte Lieblingsfarbe hat und alle anderen weniger mag (Ausnahmen/Regel ausgenommen). Ich mag zum Beispiel Schwarz und Petrol sehr gern. Ich finde aber auch Rot schön und bestimmte warme Grüntöne. Und oft sind Farben auch besonders schön im Zusammenspiel mit anderen Farben. Okay, Ocker mag ich meistens wirklich nicht so gern, aber Farben kann man eigentlich nicht hierarchisch bewerten - sprich, nach einer Rangliste besser oder schlechter vergleichen. Was als Vergleich geht sind relativ objektive Eigenschaften wie "heller" oder "dunkler". Das sind auch Vergleiche, aber eben keine mit einer Wertung. Die verglichenen Farben bleiben auf derselben Augenhöhe.

Genauso ist es für mich mit Menschen. Ich kann Eigenschaften vergleichen, aber die Ergebnisse nicht für einer Bewertung von mehr oder weniger großer Liebe heranziehen. Ich kann sagen, wer "Älter" und "jünger" oder "kräftiger" und "schwächer" oder "wilder" und "ruhiger" ist. Aber größer oder kleiner lieben kann ich nicht. Ich kann nur lieben oder nicht und zwar jede geliebte Person ganz allein. Mit einem kompletten, perfekten Kosmos für jede/n. Das ist das einzige "entweder - oder" hier.

* Beziehung: Nicht verwechseln mit "die Beziehung" im Sinne von "Lebensgemeinschaft" sondern im Wortsinn gemeint.

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