Polyamant
Dienstag, 2. Mai 2017
One year of living dangerously

Ich lese und spreche gerade viel über Trauma. An verschiedenen Stellen: Frauke beschäftigt sich gerade beruflich für ihre Ausbildung damit, mit meiner Kusine bin ich Anfang April ein Familientrauma angegangen, das mit unserem Großvater zu tun hat, dessen Entscheidungen anscheinend einige echt schwerwiegende Muster ausgelöst haben - und dabei haben wir festgestellt, dass gar nicht er der Täter in der Geschichte ist, sondern alle anderen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls: Ich habe ja hier schon ein wenig darüber geschrieben, dass das Jahr 2015 in gewisser Weise eine Zäsur war. Erst wünsche ich mir Veränderung, dann verändert sich alles um mich herum, so dass ich mich um alles andere kümmern musste. Und dann musste ich mich auch noch um mich selbst kümmern.

All das ist gut ausgegangen, auch wenn ich hier ein Jahr Pause gemacht habe: Ich hab mich selbständig gemacht, viel Zeit für mich gehabt, in Ruhe alle Probleme lösen können, zu deren Lösung ich beitragen konnte. Jetzt sollte man denken, dass ich mich zufrieden zurücklehnen und sagen könnte: Na also, es gibt nichts, wovor ich mich fürchten muss. ich bekomme am Ende alles geregelt.

Das ist auch so. Im Kopf jedenfalls. Seltsamerweise sagt mein Körper was anderes: Ich bin sehr schnell müde, ich bin immer wieder grundlos angespannt und bekomme irrationale Ängste. Meine viele zeit, die ich habe, scheint keinen Nutzen zu haben, denn ich fahre nicht mehr weg als früher, schreibe nicht mehr, lese nicht mehr und tue nicht mehr als zu der zeit, in der ich das Gefühl hatte, vor lauter Arbeit kein Leben zu haben.

Es ist, als wäre mein Körper ständig in einem Aufmerksamkeitsmodus, in einer Alarmstimmung, obwohl gar nichts passiert. Als ob er misstrauisch ist: Je länger nichts passiert, desto aufmerksamer muss er sein, denn es wird ja irgendwann wieder die nächste Katastrophe eintreffen und ich muss wieder ins Feuer rennen, denn das ist, was ich tue.

Mein Körper erinnert sich nicht mehr daran, wie es ist, entspannt zu sein und Dinge zu tun, die ihm gut tun. Oder vielleicht genauer, er befindet sich immer noch in der Krise von 2015, als alles gleichzeitig brannte und er perfekt funktionieren musste, weil die Welt tatsächlich untergegangen wäre, hätte er sich auch nur einen Tag krank genommen.

Ab Mitte 2016 waren alle Feuer gelöscht und es begann die Suche nach meiner eigenen Balance. Nur, dass der Aufbruch zu dieser Suche nicht wirklich stattfand. Schon ein bisschen, es war am Ende ein gutes Jahr, in dem ich viele schöne Dinge gemacht habe und viel aufräumen konnte, das liegenblieb. Aber so richtig anstrengend durfte es nie werden, denn sobald es Gefahr lief, selbst im Positiven, fühlte ich mich schwer und müde. Kompliziert war sofort bedrohlich. Also machte ich das Jahr unkompliziert. ich hatte genug Geld, konnte mich oft zurücklehnen und ausruhen, machte keine großen Pläne und steuerte immer die ruhigen Gewässer an. Ich hatte viele Menschen, die mich zu interessanten Partys einluden oder spannende Themen aufbrachten. Aber mein Körper hielt mich fast immer davon ab: Ich war oft erleichtert, wenn ich absagte.

Inzwischen ist mir klar, dass ich das Krisenjahr zwar gut gemeistert habe, aber noch lange nicht überstanden habe. Ich muss irgendwie meinem Körper noch klar machen, dass er weitermachen kann. Dass die Krise vorbei ist. Er glaubt es mir wohl aber leider noch nicht.

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