Polyamant
Ein bisschen weniger schwierig wäre schön

Ich habe dieses Jahr mehrere Monate in einer ständigen Hochkonzentration verbracht. Alle Menschen, an denen mir etwas liegt, haben existentielle Krisen hinter sich bringen müssen und jede davon war nicht an einem Wochenende zu bewältigen sondern dauerte viele, viele Wochen.

Meine eigene Krise - ich wurde entlassen - begann dabei mitten in der Zeit, in der gerade alles am anstrengendsten war. Da ich die Aufgabe übernommen habe, für andere da zu sein und Stabilität zu erzeugen, war es mir nicht möglich, selbst eine Art Zusammenbruch zu haben. Das ist allerdings auch ganz gut gewesen, denn da ich sowieso gerade im Modus war, alles im Griff zu haben, konnte ich das einfach draufpacken und in derselben Weise abarbeiten.

Und als die Menschen um mich herum wieder Tritt gefasst haben, hatte ich auch meine zukünftigen Weichen gelegt (indem ich mich entschieden habe, mich endlich auch mal selbständig zu machen) und es gab keinen Anlass mehr für Panik.

Die letzten beiden Monate liefen dann auch wieder in einer angenehmen Geschwindigkeit, auch wenn die Zukunft völlig anders sein wird als die Vergangenheit. Meine direkte Umgebung wird nun ziemlich umgestülpt: Ich werde umziehen, mein Sohn wird bei mir wohnen, Eva ist verheiratet und hat ein (wundervolles) Kind, Astrid wird zumindest einige Zeit sehr weit weg ziehen. Ich merke jetzt schon, wie viel häufiger ich alleine bin und hoffe, Frauke öfter zu sehen als bisher und dass Judith Geduld mit mir haben wird.

Ich habe jedenfalls vor, mir mein Leben zurückzuholen. Ich will wieder reisen, ich will Zeit mit schönen Sachen und lieben Menschen verbringen. Ich will spüren, dass es mir gut geht.

Im Moment muss ich aber noch immer irgendwie aus dem alten Leben rauskommen. Das lange Zähne zusammenbeißen, das funktionieren müssen, das durcharbeiten hat mich unsicher gemacht, jetzt wo es nicht mehr nötig ist. Was muss ich denn jetzt tun? Ist ausruhen auch ok? Oder muss ich nicht schon irgendwas planen und bedenken? Und wenn ich mich ausruhe und gar nichts tue, warum habe ich das Gefühl, es macht mich träge und müde statt erholt und wach? Oder hab ich einfach noch nicht genug Erholung? Und ist es dann schlecht, wenn ich im Januar direkt wieder mit voller Leistung starte?

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Plan, kein.

Ich hatte die ersten 40 Jahre immer eine einigermaßen klare Vorstellung, wo ich mit meinem Leben gerade hin will. Nicht in der Art, dass ich das exakt planen hätte können, geschweige denn wollen. Aber eine generelle Richtung, in die es gehen sollte.

In der Schule war das Ziel der Schulabschluss. Egal wie gut oder schlecht, Hauptsache fertig werden und raus da. Ich mochte Schule nie besonders. Aber ich wollte den Abschluss.

Danach wußte ich das erste Mal nicht genau, was ich jetzt tun sollte, was mich aber nicht störte, denn ich hatte Zeit. Ich war ja erst Anfang Zwanzig, musste ohnehin erst mal Zivildienst machen und konnte mir daher in Ruhe Gedanken machen.

Das Ergebnis war, dass ich studieren wollte. Erst Grafik, aber ich wurde nicht genommen. Daher wurden es semitische Sprachen, was quasi das andere Interessensgebiet war, von dem ich dachte, wenn ich das nicht jetzt mache, mach ich das nie. Mir war aber schon beim Antritt des Studiums bewusst, dass es sein kann, dass ich es nicht beenden werde. Ich wollte einfach nur schauen wie weit ich komme und mir während des Studiums überlegen, was der nächste Schritt sein wird. Ansonsten war meine Best Case Vorstellung die, dass ich mit Hilfe des Studiums an Auslandsaufenthalte im vorderen Orient komme und sich dort Gelegenheiten ergeben.

Das war zum Glück kein Plan, denn so kam es nicht - stattdessen kam ein Kind. Und auch das Internet: Interessensgebiet Nummer drei, ein bisschen gemischt mit dem eigentlich schon abgelegten Design-Interesse die realistischste Persoektive bot, ein Berufsfeld für mich zu werden. Also war der nächste Plan, dass ich mir vornahm, bis zum dreißigsten Geburtstag daraus irgendwie einen Beruf zu machen und bis ich 35 wäre, mich damit zu etablieren.

Auch das gelang. Mit ein paar glücklichen Zufällen und der Offenheit gegenüber guten Gelegenheiten. Was ich vergaß war, mir einen solchen Plan dafür zu machen, wie ich eigentlich mein Privatleben haben möchte. Kinder und Beziehung und all das lief - offensichtlich - so unbewusst und ich war so unachtsam, dass ich plötzlich alleine da stand.

Der nächste Plan war daher, bis 40 irgendwie zu wissen, wie ein Leben aussehen kann, in dem ich und meine Umgebung zusammenpassten und wir uns wohl fühlen konnten. Auch dieser Plan, sobald ich ihn mal gefasst habe, funktionierte. Danke wunderbarer Menschen, die mir viel beibrachten, was ich wahrscheinlich besser zehn Jahre vorher hätte wissen müssen.

Aber besser ist es nicht gewesen, daher ging es eben so weiter. Ich habe viel gelernt und lerne noch immer. Das war einige Jahre auch prima, denn so wie ich zwischen 30 und 35 meinen Beruf etablierte, gestaltete ich zwischen 40 und 45 mein... eigentliches Leben.

Aber: Der nächste Schritt ist mir nicht klar. Und ich werde nervös, denn ich treibe seit einiger Zeit tatsächlich planlos vor mich hin. Ich brauche einen neuen Plan. Eine neue Richtung, die mir das Gefühl gibt, ich gelange irgendwann auch wieder irgendwo hin. Das macht mich gerade sehr unsicher, bringt mich aus der Balance. Muss sich ändern.

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Was ich brauche

Ich mag es, gebraucht zu werden. Wenn es sowas wie einen ganz persönlichen Sinn des Lebens gibt - also das, was mich direkt und unreflektiert mein ganz persönliches Dasein erkennen lässt und sinnhaft macht - dann ist es das.

Ich komme wunderbar mit Ablehnung, Dissonanz, anderer Meinung sein, ja sogar mit Hass als Reaktion auf das was ich tue oder wie ich bin aus. Das berührt mich nur in geringem Maße. Leicht verwirrte Verwunderung ist da schon viel an Reaktion. Ich muss nicht mit jedem auskommen. Manchmal ist das Schade, aber meistens kann ich problemlos damit leben. Ich kann Leute ganz gut in Ruhe lassen.

Womit ich nur schwer zurecht komme ist, reduziert zu werden. Das muss ich genauer erklären: Es ist so, dass ich für eine Verbindung mit anderen Menschen "Verbindungen" brauche, über die ich dann - ja, ich weiß, das ist ein Umweg, aber so ist es eben - Emotion, Gefühl, Hingabe, Zuneigung und so weiter spüren und geben kann. Eine solche Verbindung ist natürlich Sex, aber ich brauche vor allem solche, die über Entfernung funktionieren. Die einfachste Form dieser Verbindung ist, wenn ich etwas tun kann Zuhören. Beraten. Ermutigen. Diskutieren. Trösten. Aushelfen. Eben irgendetwas tun, was mir hilft, damit auch meine Gefühle zu teilen und zu transportieren. Und umgekehrt auch die umgekehrten Gefühle immer wieder neu zu erspüren.

Was mich eifersüchtig macht ist daher, wenn ich sehe, wie Menschen nicht zu mir kommen sondern sich an andere Menschen wenden. Natürlich weiß ich, dass das überhaupt keine realistische Einschätzung der Situation ist, aber ich fühle mich dann unnütz. Ich weiß, dass sich beim anderen Menschen nichts an seiner Beziehung zu mir ändert und das hilft mir auch, über diese seltsamen Ängste drüber zu kommen. Aber sie sind dennoch zunächst mal da.

Sie stellen doofe Fragen: Bin ich zu alt? Bin ich zu langweilig? Ist meine Loyalität zu selbstverständlich, so dass man gar nicht darüber nachdenken muss was ich empfinde?

Die Fragen sind unsinnig, denn sie setzen Dinge voraus: Einstellungen beim Anderen, die da gar nicht sein muss. Erwartungshaltungen, deren Erfüllung zu verlangen ich gar nicht das Recht habe. Aber sie sind dennoch da und untergraben meine Moral. Flüstern mich in blödes beleidigt sein. Und verderben mich auch einfach die Laune.

Aber ich weiß inzwischen, wie ich damit umgehen kann. Es hilft mir, mir zu gönnen, mich ein bisschen zu ärgern, eine Weile traurig zu sein. Vielleicht auch wütend. Das mach ich für mich alleine. Ich kann gut eine Stunde jammern, etwas schimpfen, etwas verzweifelt sein. Danach geht es mir wieder besser und ich kann die Dinge wieder im richtigen Licht sehen.

Denn ich mag ja verlässlich sein. Ich bin gerne loyal. Ich weiß ja und ich merke auch schnell wieder, dass nur weil denen die ich liebe andere Menschen auch wichtig sind, mein Wert nicht sinkt. Auch wenn der erste Moment mir etwas anderes weismachen will.

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Maschine Maschine

Ich merke nicht, wie angespannt ich bin. Vielleicht, weils ein Dauerzustand ist und es immer nur dadurch sichtbar wird, dass es Zeiten gibt, in denen ich nicht angespannt bin und es plötzlich einen Vergleich gibt.

Es war eigentlich eine schlimme Zeit seit Oktober letzten Jahres. Eine richtig schlimme Zeit. Ich wurde entlassen, von einer Minute auf die andere. Meine Abteilung, für die ich mich verantwortlich gefühlt habe, wurde aufgelöst. Die angeschlossenen Kölner Kollegen, von denen ich die meisten mit eingestellt hatte und für die ich mich ebenfalls verantwortlich gefühlt habe, wurden entlassen.

Den November verbrachten wir im Schock. Auch wenn einige von uns - und auch ich - direkt wieder eingestellt wurden sass der Schlag gut. Dass wir mehr hatten als eine kleine Außenstelle einer Firma bemerkte ich erst, als alle weg waren und ich alleine im Büro übrigblieb. An einem anderen Platz, mit einer anderen Stellenbeschreibung, die so unklar war, dass ich auf die Frage "Und was machst Du jetzt?" nur antworten konnte "Keine Ahnung, aber man wollte mich offenbar behalten." Und es war mir peinlich, denn andere, die es verdient hätten, hatte man nicht behalten.

Der Winter wurde nicht besser. Schlechte Zeugnisse bei den Kindern. Die laufenden Kosten stiegen mal wieder ein gutes Stück und plötzlich reicht das Geld nicht mehr. Die Zeugnisse waren jetzt am Ende zwar immer noch nicht besonders gut, aber es gab keine Katastrophe. Das Geld reicht mit ach und krach, schlichtweg weil ich aufgehört habe, für mich selbst Geld auszugeben.

Seit Oktober letzten Jahres bin ich angespannt. Der Nacken schmerzt und knackt. So schlimm war es nie. Ich spüre das Alter in den Knochen, auch wenn ich momentan wieder etwas besser in Form bin. Und zumindest äußerlich macht der letzte Altersschub der vergangenen zwei Jahre mal Pause.

Pause machen. Das wärs mal. Aber ich bin nicht nur für mich verantwortlich. Wäre ich es, ich würde die Arbeitszeit reduzieren, mir Luft verschaffen, nur so viel Geld gegen Arbeitszeit eintauschen wie unbedingt nötig und mich um schöne Dinge kümmern. Die Ideen verfolgen, für die mir Zeit, Ruhe und Energie fehlt.

Und am meisten fehlt Energie.

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Steifheit

Wenn ich zu lange nur arbeite, werde ich privat steif und nüchtern und ich verliere die Fähigkeit, gut meine Gefühle nach außen zu kommunizieren. Ich hab dann das Gefühl, die Begeisterungsfähigkeit fällt immer weiter ab - was jetzt nicht so verwunderlich ist, weil Begeisterung für mich eine Eigenschaft ist, die ich bewusst pflegen muss. Die Dinge laufen irgendwann so vor sich hin, in einer weiß rauschenden Null-Kurve. Immer eintöniger, grauer. Und ich selbst fühle mich dann auch immer eintöniger und lustloser. Sitze Zeit, die ich alleine bin, einfach nur noch ab. Bekomme eh bei allem, was ich stattdessen machen könnte, ohne die nötige Inspiration keine Ergebnisse zustande. Während ich aber von außen beherrscht, effizient und konstruktiv wirke, wirbeln in mir Sehnsüchte, Wünsche und Emotionen herum und finden nicht mehr raus.

Der Sommer war geprägt von viel Arbeit und zu wenig Kontakt zu den Lieben. Nicht dass wir uns nie gesehen haben, aber ich hatte das Gefühl, alle Zeit miteinander und füreinander war irgendwie immer sehr zerhackt und mit vielen parallelen, wichtigen und auch aufmersamkeitsintensiven Verpflichtungen und Themen ausgefüllt.

Im Prinzip also ein Sommer, in dem wir nie wirklich zu einer Ruhezeit an einem Stück kamen oder eine unbelastete Zeit einfach mal ablenkungsfrei gemeinsam geniessen konnten.

Das ist giftig für mich. Das ist, was mich für meine Umgebung lähmt und steif macht. Was mir zu wenig Gelegenheit gibt, mich zu äußern und Wege zu finden, mich anderen auszudrücken weil ich für sowas viel länger brauche als ein paar - noch dazu spontane - Augenblicke.

Das merke ich jetzt im Herbst eigentlich zu spät. Der perfekte Moment kam dieses Jahr nicht - ich brauche ihn nicht oft, aber ich brauche ihn doch manchmal. Jetzt wenn die Zeit kommt, in der ich mich beginne, ohnehin unwohl zu fühlen, weil es kalt wird und ich körperlich auch immer steifer werde - allein schon des Klimas wegen.

Ich hoffe so sehr, das das kein schrecklich nerviger Winter wird...

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zwar ein paar Jahre, aber ich kann das, was...
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klingt jetzt doch eher
koerperlich ;)aber okay, bei mir ist's der Ruecken
by meta (12.05.13, 22:41)
Zeit Ich fühle mich alt.
Das war zwar schon öfter mal so, vor allem nach...
by jensscholz (12.05.13, 22:07)

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