Polyamant
Donnerstag, 19. Januar 2012
Unvergleichlich

Letztens diskutierten wir über Eifersucht und andere Unsicherheiten, die einen hin und wieder in Stress geraten lassen. Eine der Ursachen dafür ist die wahrscheinlich völlig menschliche Eigenschaft, sich mit anderen zu vergleichen.

Wenn uns also jemand erzählt, wie toll ein Abend mit X war oder was für kluge Dinge Y sagt oder wie scharf Z gestern ausgesehen hat machen wir einen Vergleich. Bei dem wir immer verlieren. Denn wir erweitern den Satz immer mit "im Vergleich zu mir" und so wird "Y sagt kluge Dinge" zu "Y sagt kluge Dinge im Vergleich zu mir". Ergo sage ich keine klugen Dinge, zumindest nicht so kluge wie Y.

Natürlich stimmt das nicht, denn das ist nicht, was der andere gesagt hat. Er sagte lediglich, dass er eine bestimmte Sache bei einer bestimmten Person mag.

Wir waren uns darin auch einig: Keiner von uns sagt sowas, um dem anderen ein defizit aufzuzeigen, sondern weil man sich über eine Eigenschaft einer anderen Person freut. Es ist zwar eine Wertung, aber nur eine positive über die Person über die man spricht und nicht gleichzeitig eine Abwertung des Gegenübers.

Wir landen aber sehr oft in dieser "entweder - oder" Falle, nicht nur in Beziehungen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich in den letzten vielleicht 10 Jahren gemacht habe war aber, dass es ein "entweder - oder" fast nie und nirgends gibt, sondern das Leben wesentlich häufiger "sowohl - als auch" funktioniert.

Der Knackpunkt ist, wie ich glaube, der Vergleich. Daher versuche ich mal zu formulieren, warum ich die Menschen, die ich liebe, nie miteinander vergleichen kann.

Ich stehe mit jeder einzelnen Person, die ich liebe, in einer ganz einzigartigen, individuelle Beziehung*. Ich liebe jemanden nicht wegen einzelner Eigenschaften oder weil sie etwas bestimmtes besonders gut kann. Ich liebe jemanden deswegen, weil wir gemeinsam etwas völlig einzigartiges haben. Das, was mit uns beiden entsteht, funktioniert auch wirklich nur mit exakt uns beiden. Ich könnte also nie dieselbe Verbindung mit einer anderen Person haben. Und somit sind auch keine Vergleiche möglich. Und selbst wenn - die Eigenschaft, die mich bei einer Person völlig ins Schwärmen bringt muss bei einer anderen Person - selbst wenn sie dieselbe Eigenschaft hätte - nicht die sein, die mich an ihr fasziniert.

Vielleicht ein Bild: Ich glaube nicht, dass der Mensch eine ganz bestimmte Lieblingsfarbe hat und alle anderen weniger mag (Ausnahmen/Regel ausgenommen). Ich mag zum Beispiel Schwarz und Petrol sehr gern. Ich finde aber auch Rot schön und bestimmte warme Grüntöne. Und oft sind Farben auch besonders schön im Zusammenspiel mit anderen Farben. Okay, Ocker mag ich meistens wirklich nicht so gern, aber Farben kann man eigentlich nicht hierarchisch bewerten - sprich, nach einer Rangliste besser oder schlechter vergleichen. Was als Vergleich geht sind relativ objektive Eigenschaften wie "heller" oder "dunkler". Das sind auch Vergleiche, aber eben keine mit einer Wertung. Die verglichenen Farben bleiben auf derselben Augenhöhe.

Genauso ist es für mich mit Menschen. Ich kann Eigenschaften vergleichen, aber die Ergebnisse nicht für einer Bewertung von mehr oder weniger großer Liebe heranziehen. Ich kann sagen, wer "Älter" und "jünger" oder "kräftiger" und "schwächer" oder "wilder" und "ruhiger" ist. Aber größer oder kleiner lieben kann ich nicht. Ich kann nur lieben oder nicht und zwar jede geliebte Person ganz allein. Mit einem kompletten, perfekten Kosmos für jede/n. Das ist das einzige "entweder - oder" hier.

* Beziehung: Nicht verwechseln mit "die Beziehung" im Sinne von "Lebensgemeinschaft" sondern im Wortsinn gemeint.

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Last modified: 28.02.20, 09:21
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