Polyamant
Sonntag, 19. September 2010
Auf gleicher Augenhöhe

Das Bild da oben ist wahrscheinlich für viele auf den ersten Blick ein schönes: Eine passende Symbiose zweier Bedürfnisse. Ein Ausdruck dessen, wie viele vor allem in jüngeren Jahren sich gerne eine Beziehung vorstellen. Ein romantisches Ideal, wie es in unzähligen Filmen dargestellt wird: Der Held und seine Liebste, die er beschützt und die sich auf seine Stärke verlassen kann.

Allerdings gibt es da ein Ungleichgewicht: Die Aufgaben sind asymetrisch verteilt, die rote Hand wird verloren sein, sollte die schwarze Hand mal loslassen müssen. Und die schwarze Hand verliert ihre Daseinsberechtigung, sollte die rote Hand sich irgendwann auch mal auf ihre eigene Stärke besinnen.

Mit wenig weiterem Nachdenken kommt man relativ schnell darauf, dass dieses Bild doch keine gute Beziehung darstellt, sondern zunächst eine Abhängigkeit. Wahrscheinlich macht das einer Beziehung nichts aus, so lange die Parameter sich nicht ändern, also so lange einer der schwache und einer der starke Partner bleibt. Aber sobald sich das ändert dürfte es Stress geben: Der ehemals Schwache fühlt sich bevormundet, der ehemals Starke ungerecht behandelt, weil er seinem Partner doch nur Gutes tun will. Fatalerweise wird er sich noch mehr anstrengen, was den genervten Partner dann nur noch mehr auf den Senkel geht ...

Wie sähe ein gutes Bild aus? Wahrscheinlich komplizierter und sehr wahrscheinlich würde es die klare Aussagekraft verlieren. Aber wir leben ja auch nicht in Bildern. Schon gar nicht in solchen mit klaren, einfachen Verhältnissen, die sich noch dazu nie ändern.

Was an dem Bild fasziniert ist die Stabilität und die Kraft, die es zweifelsfrei ausdrückt - auch wenn es in die Realität so nicht übertragbar ist. Wir wünschen uns aber eine gewisse Sicherheit und Stabilität im Leben und im Zusammenleben mit anderen. Wir wünschen uns Verhältnisse und Beziehungen, aus der wir Kraft schöpfen und in die wir unsere Energie geben können.

Bleiben wir bei diesem Wunsch, zeichnen wir aber ein realistischeres Bild: Ich glaube, beide Arme benötigen als Erstes mal jeweils eigene Begriffe, Wünsche, Ängste und Eigenschaften in einer eigenen Farbe. Jeder sollte den Drang entwickeln und die Fähigkeit anstreben, mit diesen Ängsten, Wünschen und Eigenschaften selbst zurecht zu kommen, um auf seinen eigenen Beinen stehen zu können. Es geht dabei aber nicht darum immer und jederzeit niemanden zu brauchen, sondern darum, seine Ängste und Sorgen zu kennen und sich seiner Fähigkeiten bewusst zu sein und eigene Möglichkeiten zu finden, selbst damit umgehen zu können. Das ist nicht nur wichtig, um auch mal alleine zurecht zu kommen sondern vor allem, um jederzeit zu wissen, ob seine Wünsche und seine Entscheidungen wirklich seine eigenen sind oder ob er sich in einer Abhängigkeit befindet.

Es geht nicht darum, sich keinen Rat einholen zu dürfen (das nicht zu tun wen man es könnte wäre auch ziemlich dumm) oder auch mal einer Freundschaft zu liebe eine Entscheidung anders zu treffen als man es täte wenn man rücksichtslos seine Wünsche durchsetzt. Es geht darum, dass man das was man tut bewusst und damit unabhängig tut. Dass man den anderen davor schützt, für Entscheidungen verantwortlich gemacht zu werden, die man eigentlich selbst treffen muss. Die fehlenden Sätze in eigener Farbe könnte das Symbol sein dafür, dass man genügend über sich weiß und genügend eigene Fertigkeiten entwickelt hat, um selbstbewusst und unabhängig entscheiden zu können.

Was ich auch ändern würde: In beiden Händen sollte es sowohl rote als auch schwarze Sätze geben. Jeder Mensch - egal wie stabil er normalerweise ist - will und muss auch mal schwach sein und sollte sich darauf verlassen dürfen, dass es Partner gibt, die ihn auffangen, halten, trösten. Und jeder Mensch sollte die Gelegenheit haben, andere zu fangen, zu halten und zu trösten. Beides sind wunderbare Momente. Wenn einer aber immer nur der ist, der alles in Ordnung bringt und der andere der ist, der ständig gerettet werden muss ist das nicht gesund. Und das Gegenteil von stabil.

Eine Beziehung die ich ideal fände ist die, in der sich die Partner auf gleicher Augenhöhe begegnen, weil sie jeweils einen guten Stand auf ihren eigenen beiden Füßen haben. Eine, in der beide Partner sich gegenseitig helfen, halten und sich halten und helfen lassen, wenn sie beide ihre jeweiligen Ängste und Schwächen zulassen ohne davon entweder genervt zu sein oder sofort zu Hilfe zu stürmen. Eine, in der eine gute Balance zustande kommt aus gegenseitigem Verständnis, das dem jeweils anderen hilft, seine Unabhängigkeit zu wahren. Eine, in der man immer darauf achtet, was wirklich zu tun oder zu lassen notwendig ist.

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Hand an Hand

Ich gehe nicht nur gerne Hand in Hand, sondern auch Hand an Hand mit meinen Mädels spazieren. Kein Klammern, kein Festhalten, man kann jederzeit weg, bleibt aber doch da - weil man will. Durch die Bewegung beim Gehen reibt man sich buchstäblich aneinander - auch sonst etwas, das mir wichtig ist an Mehrsamkeit. Zusätzlich zu den gemischten Farben und einer großen Schnittmenge an Begriffen wäre das Teil meiner Idealversion des obigen Bildes.

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