Polyamant
Sonntag, 11. März 2012
Warten

Keine Ahnung, wie lange der Mensch so in seinem Leben mit warten beschäftigt ist, aber der Begriff ist ein Widerspruch in sich. Denn man ist nicht beschäftigt. Man tut nichts. Man hat Zeit, sich Gedanken zu machen. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man sich verabredet hat. Ab dann hat man Zeit sich Sorgen zu machen. Oder verrückt.

Ich hab keine generellen Probleme mit Warten. Ich bin nicht ungeduldig. Ich kaue nicht an den Fingernägeln, bis das nächste Buch meiner Lieblingsautoren rauskommt oder ein Film, den ich unbedingt sehen will. Beides wird irgendwann passieren und dass etwas einfach seine Zeit dauert macht mir keinen Stress.

Bei zwei Gelegenheiten aber kann ich nicht ruhig bleiben.

Die erste ist Schlange stehen. Gott, geht mir das auf den Geist. Mich irgendwo anstellen zu müssen lässt mich sofort nach Alternativen überlegen: Morgen wiederkommen? Woanders hingehen? Es ganz lassen? Anstehen macht mich aggressiv, denn die Zeit in einer Schlange ist für mich so bewusst vertan, ich kann die Uhr im Kopf ticken hören und jede Sekunde die vergeht nimmt mir etwas mehr von der Erwartung dessen, weshalb ich mich anstelle. Ich wende daher meistens die Faustregel an: Wenn ich länger warten muss als das, weshalb ich anstehe dauert, geh ich wieder.

Die zweite ist die Situation, die ich eingangs beschrieben habe: Wenn ein verabredeter Zeitpunkt verstrichen ist und ich keinerlei Info bekommen habe, dass es länger dauert. In Zeiten von Handy, SMS und WhatsApp hat sich das Problem verzehnfacht, denn vorher konnte ich mich immer noch eine Weile beruhigen, weil keine Info ja bedeuten kann, der andere ist schon unterwegs. Inzwischen aber mache ich mir sofort Gedanken: Bin ich so unwichtig oder sind Verabredungen mit mir so unverbindlich, dass man mir nicht mal Bescheid geben braucht, wenns nicht klappt? Ich weiß, dass das dumm von mir ist, aber solche Situationen gehen leider sofort auf mein Selbstwertgefühl. Dagegen kann ich auch nicht viel tun - meine Ratio erklärt mir ja auch jedes mal, dass es vielleicht besser wäre, einfach mal auf den anderen sauer zu sein statt auf mich und überhaupt, Verspätungen sind echt nichts schlimmes und niemand der sich verspätet tut das, weil er mich nicht wertschätzt. Das hilft nicht viel, mir gehts in diesen Momenten einfach mies. Und wie unsinnig das ist beweist ja auch, dass das Gefühl fast sofort komplett verschwindet, wenn die Verabredung dann eintrifft. Dann merke ich: Ich bin kein bisschen sauer, dass sie zu spät kommt. Ich hatte aber Angst, dass sie gar nicht kommt.

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