Polyamant
Dienstag, 14. April 2015
Plan, kein.

Ich hatte die ersten 40 Jahre immer eine einigermaßen klare Vorstellung, wo ich mit meinem Leben gerade hin will. Nicht in der Art, dass ich das exakt planen hätte können, geschweige denn wollen. Aber eine generelle Richtung, in die es gehen sollte.

In der Schule war das Ziel der Schulabschluss. Egal wie gut oder schlecht, Hauptsache fertig werden und raus da. Ich mochte Schule nie besonders. Aber ich wollte den Abschluss.

Danach wußte ich das erste Mal nicht genau, was ich jetzt tun sollte, was mich aber nicht störte, denn ich hatte Zeit. Ich war ja erst Anfang Zwanzig, musste ohnehin erst mal Zivildienst machen und konnte mir daher in Ruhe Gedanken machen.

Das Ergebnis war, dass ich studieren wollte. Erst Grafik, aber ich wurde nicht genommen. Daher wurden es semitische Sprachen, was quasi das andere Interessensgebiet war, von dem ich dachte, wenn ich das nicht jetzt mache, mach ich das nie. Mir war aber schon beim Antritt des Studiums bewusst, dass es sein kann, dass ich es nicht beenden werde. Ich wollte einfach nur schauen wie weit ich komme und mir während des Studiums überlegen, was der nächste Schritt sein wird. Ansonsten war meine Best Case Vorstellung die, dass ich mit Hilfe des Studiums an Auslandsaufenthalte im vorderen Orient komme und sich dort Gelegenheiten ergeben.

Das war zum Glück kein Plan, denn so kam es nicht - stattdessen kam ein Kind. Und auch das Internet: Interessensgebiet Nummer drei, ein bisschen gemischt mit dem eigentlich schon abgelegten Design-Interesse die realistischste Persoektive bot, ein Berufsfeld für mich zu werden. Also war der nächste Plan, dass ich mir vornahm, bis zum dreißigsten Geburtstag daraus irgendwie einen Beruf zu machen und bis ich 35 wäre, mich damit zu etablieren.

Auch das gelang. Mit ein paar glücklichen Zufällen und der Offenheit gegenüber guten Gelegenheiten. Was ich vergaß war, mir einen solchen Plan dafür zu machen, wie ich eigentlich mein Privatleben haben möchte. Kinder und Beziehung und all das lief - offensichtlich - so unbewusst und ich war so unachtsam, dass ich plötzlich alleine da stand.

Der nächste Plan war daher, bis 40 irgendwie zu wissen, wie ein Leben aussehen kann, in dem ich und meine Umgebung zusammenpassten und wir uns wohl fühlen konnten. Auch dieser Plan, sobald ich ihn mal gefasst habe, funktionierte. Danke wunderbarer Menschen, die mir viel beibrachten, was ich wahrscheinlich besser zehn Jahre vorher hätte wissen müssen.

Aber besser ist es nicht gewesen, daher ging es eben so weiter. Ich habe viel gelernt und lerne noch immer. Das war einige Jahre auch prima, denn so wie ich zwischen 30 und 35 meinen Beruf etablierte, gestaltete ich zwischen 40 und 45 mein... eigentliches Leben.

Aber: Der nächste Schritt ist mir nicht klar. Und ich werde nervös, denn ich treibe seit einiger Zeit tatsächlich planlos vor mich hin. Ich brauche einen neuen Plan. Eine neue Richtung, die mir das Gefühl gibt, ich gelange irgendwann auch wieder irgendwo hin. Das macht mich gerade sehr unsicher, bringt mich aus der Balance. Muss sich ändern.

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Montag, 1. Dezember 2014
Was ich brauche

Ich mag es, gebraucht zu werden. Wenn es sowas wie einen ganz persönlichen Sinn des Lebens gibt - also das, was mich direkt und unreflektiert mein ganz persönliches Dasein erkennen lässt und sinnhaft macht - dann ist es das.

Ich komme wunderbar mit Ablehnung, Dissonanz, anderer Meinung sein, ja sogar mit Hass als Reaktion auf das was ich tue oder wie ich bin aus. Das berührt mich nur in geringem Maße. Leicht verwirrte Verwunderung ist da schon viel an Reaktion. Ich muss nicht mit jedem auskommen. Manchmal ist das Schade, aber meistens kann ich problemlos damit leben. Ich kann Leute ganz gut in Ruhe lassen.

Womit ich nur schwer zurecht komme ist, reduziert zu werden. Das muss ich genauer erklären: Es ist so, dass ich für eine Verbindung mit anderen Menschen "Verbindungen" brauche, über die ich dann - ja, ich weiß, das ist ein Umweg, aber so ist es eben - Emotion, Gefühl, Hingabe, Zuneigung und so weiter spüren und geben kann. Eine solche Verbindung ist natürlich Sex, aber ich brauche vor allem solche, die über Entfernung funktionieren. Die einfachste Form dieser Verbindung ist, wenn ich etwas tun kann Zuhören. Beraten. Ermutigen. Diskutieren. Trösten. Aushelfen. Eben irgendetwas tun, was mir hilft, damit auch meine Gefühle zu teilen und zu transportieren. Und umgekehrt auch die umgekehrten Gefühle immer wieder neu zu erspüren.

Was mich eifersüchtig macht ist daher, wenn ich sehe, wie Menschen nicht zu mir kommen sondern sich an andere Menschen wenden. Natürlich weiß ich, dass das überhaupt keine realistische Einschätzung der Situation ist, aber ich fühle mich dann unnütz. Ich weiß, dass sich beim anderen Menschen nichts an seiner Beziehung zu mir ändert und das hilft mir auch, über diese seltsamen Ängste drüber zu kommen. Aber sie sind dennoch zunächst mal da.

Sie stellen doofe Fragen: Bin ich zu alt? Bin ich zu langweilig? Ist meine Loyalität zu selbstverständlich, so dass man gar nicht darüber nachdenken muss was ich empfinde?

Die Fragen sind unsinnig, denn sie setzen Dinge voraus: Einstellungen beim Anderen, die da gar nicht sein muss. Erwartungshaltungen, deren Erfüllung zu verlangen ich gar nicht das Recht habe. Aber sie sind dennoch da und untergraben meine Moral. Flüstern mich in blödes beleidigt sein. Und verderben mich auch einfach die Laune.

Aber ich weiß inzwischen, wie ich damit umgehen kann. Es hilft mir, mir zu gönnen, mich ein bisschen zu ärgern, eine Weile traurig zu sein. Vielleicht auch wütend. Das mach ich für mich alleine. Ich kann gut eine Stunde jammern, etwas schimpfen, etwas verzweifelt sein. Danach geht es mir wieder besser und ich kann die Dinge wieder im richtigen Licht sehen.

Denn ich mag ja verlässlich sein. Ich bin gerne loyal. Ich weiß ja und ich merke auch schnell wieder, dass nur weil denen die ich liebe andere Menschen auch wichtig sind, mein Wert nicht sinkt. Auch wenn der erste Moment mir etwas anderes weismachen will.

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Mittwoch, 13. August 2014
Plötzlich wieder Alien

Ich stand vor 24 Kunden und erklärte ihnen die Ergebnisse eine Analyse, die wir gemacht haben. Inhaltlich war ich gut im Thema. Es ging ohnehin um meinen Home Turf, also Usability und Informationsarchitektur und all die anderen Themen, in denen ich so lange unterwegs bin, dass ich wahrscheinlich auch völlig unvorbereitet eine gute Figur abgeben hätte können.

Und dann war ich plötzlich wieder 12 Jahre alt. Alien. Eine dicke Mauer zwischen mir und der Welt. Ich fand nicht rein in die Welt. Ich blieb in mir stecken.

Das ist mir sehr lange nicht mehr passiert. Ich dachte, ich habe in den Jahren genügend Türen in die Mauer gebaut: Ich kann mich inzwischen an Small Talk beteiligen, habe Mimik und Körpersprache lesen gelernt und weiß, wie man Kommunikation initiiert. Aber plötzlich waren diese Türen nicht mehr da und ich geriet innerlich in totale Panik (was natürlich jenseits der Mauer kein Mensch mitbekommen hat).

Am Ende spulte ich meinen Vortrag eben hinter der Wand ab, in der Hoffnung, das passt davor schon irgendwie und offenbar war das auch so. Aber ich hatte die ganze Zeit keine Rückmeldung erkennen können, ich konnte mich nur an die Uhr halten und an den Inhalt, den es zu referieren galt. Ob ich zu viel ins Detail ging, ob ich zu schnell oder zu langsam war, ob ich das Publikum gerade langweilte, amüsierte oder ärgerte... keine Ahnung. Ich schaffte es nicht, auch nur einem ins Gesicht zu sehen, was ich ja aber musste: Ich hatte ja gelernt, so vor Menschen zu sprechen, dass sie mir zuhörten und ich eine Beziehung zu ihnen erreiche und stand fassungslos neben mir selbst und sah mir zu.

Ich versuchte, mir zu erklären, auf was ich achten muss muss und ich selbst versuchte, wenigstens so zu tun als schaue ich die Menschen vor mir an. Es wurden so drei sehr anstrengende Stunden. Der Teil von mir, der wusste wie es geht stand neben dem Teil von mir, der es nicht wusste. Aber der Teil, der es nicht wusste war der Teil, der redete.

Nicht mal danach konnte ich sagen, wie es gelaufen ist. Nicht dass es schwer war, weil es im Publikum viel Zurückhaltung gegeben hätte oder gemischtes Feedback oder Diskussionen - das gibts ja manchmal auch. Nein, es war einfach keine verwert- oder interpretierbare Information bei mir angekommen. Null. Nada. Nichts. Das musste ich die Kollegen fragen, die mir sagten, es sei alles super gewesen. Ich selbst hatte dagegen den Eindruck, es war grauenhaft und ich müsste im Boden versinken.

Ich bin immer noch völlig erschüttert, denn wie es ist, wenn man plötzlich wieder von allen Signalen abgeschnitten ist, die lesen zu können man so lange gebraucht hat und so viel Energie gekostet hat, war schlichtweg erschreckend.

Für mich ist die Erinnerung an diesen Termin heute wie ein Geschichte, mit der ich nichts zu tun habe. Wie die Erinnerung an ein Youtube-Video, das ich gesehen habe, anstatt an ein Ereignis, bei dem ich Teil gewesen bin. Aber das ist auch gut, denn so kann ich versuchen, den Film Bild für Bild zu analysieren und vielleicht im Nachhinein herauszufinden, was das Alien am Redepult vielleicht hätte erkennen können.

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Mittwoch, 16. Juli 2014
Maschine Maschine

Ich merke nicht, wie angespannt ich bin. Vielleicht, weils ein Dauerzustand ist und es immer nur dadurch sichtbar wird, dass es Zeiten gibt, in denen ich nicht angespannt bin und es plötzlich einen Vergleich gibt.

Es war eigentlich eine schlimme Zeit seit Oktober letzten Jahres. Eine richtig schlimme Zeit. Ich wurde entlassen, von einer Minute auf die andere. Meine Abteilung, für die ich mich verantwortlich gefühlt habe, wurde aufgelöst. Die angeschlossenen Kölner Kollegen, von denen ich die meisten mit eingestellt hatte und für die ich mich ebenfalls verantwortlich gefühlt habe, wurden entlassen.

Den November verbrachten wir im Schock. Auch wenn einige von uns - und auch ich - direkt wieder eingestellt wurden sass der Schlag gut. Dass wir mehr hatten als eine kleine Außenstelle einer Firma bemerkte ich erst, als alle weg waren und ich alleine im Büro übrigblieb. An einem anderen Platz, mit einer anderen Stellenbeschreibung, die so unklar war, dass ich auf die Frage "Und was machst Du jetzt?" nur antworten konnte "Keine Ahnung, aber man wollte mich offenbar behalten." Und es war mir peinlich, denn andere, die es verdient hätten, hatte man nicht behalten.

Der Winter wurde nicht besser. Schlechte Zeugnisse bei den Kindern. Die laufenden Kosten stiegen mal wieder ein gutes Stück und plötzlich reicht das Geld nicht mehr. Die Zeugnisse waren jetzt am Ende zwar immer noch nicht besonders gut, aber es gab keine Katastrophe. Das Geld reicht mit ach und krach, schlichtweg weil ich aufgehört habe, für mich selbst Geld auszugeben.

Seit Oktober letzten Jahres bin ich angespannt. Der Nacken schmerzt und knackt. So schlimm war es nie. Ich spüre das Alter in den Knochen, auch wenn ich momentan wieder etwas besser in Form bin. Und zumindest äußerlich macht der letzte Altersschub der vergangenen zwei Jahre mal Pause.

Pause machen. Das wärs mal. Aber ich bin nicht nur für mich verantwortlich. Wäre ich es, ich würde die Arbeitszeit reduzieren, mir Luft verschaffen, nur so viel Geld gegen Arbeitszeit eintauschen wie unbedingt nötig und mich um schöne Dinge kümmern. Die Ideen verfolgen, für die mir Zeit, Ruhe und Energie fehlt.

Und am meisten fehlt Energie.

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Dienstag, 8. Juli 2014
Amelia Earharts Brief an ihren späteren Ehemann

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Last modified: 28.02.20, 09:21
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Plan, kein. Ich hatte die
ersten 40 Jahre immer eine einigermaßen klare Vorstellung, wo ich...
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das stimmt zwar, aber auch
die Fähigkeit, das zu erkennen ist eine, die man...
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ich finde das wunderbar -
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klingt jetzt doch eher
koerperlich ;)aber okay, bei mir ist's der Ruecken
by meta (12.05.13, 22:41)
Zeit Ich fühle mich alt.
Das war zwar schon öfter mal so, vor allem nach...
by jensscholz (12.05.13, 22:07)

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